Freitag, 31. März 2006

Zinsprognose vor 120 Jahren

Habe einen Aufsatz vom 5. Juli 1891 entdeckt, ein echt kultiges Teil: Spektakulär, dass die Nationalökonomen in jener Zeit eine 100-Jahre-Zinsprognose wagten. Ausgehend vom Jahr 1883 wurde der Zinsfuß für sichere Anleihen bis 1990 „wahrscheinlich“ oder „sicherlich“ auf unter zwei Prozent vorausgesagt. Begründung: „Die besonders rentablen Capitalanlagen großen Maßstabes sind heute erschöpft…. Die Haupteisenbahnen sind ausgebaut, die Telegraphenlinien gezogen, die Industrie ist mit Dampfmaschinen versehen.“ Somit seien nur noch „…Unternehmungen von geringer Ergiebigkeit übrig“, folglich müsse der Zins sinken.

Unterstellt wurde auch ein Ende von Erfindungen weil sie nur "…auf einen Effect abzielen, der im Wesen bereits heute erreicht wird, nur daß die neue Erfindung eine Kostenverminderung mit sich bringt.“ Vor 120 Jahren konnte man sich somit nicht vorstellen, dass gerade „Kostensenkung“ eine Haupttriebfeder produktivitätssteigernder Prozesse sein würde.

Zum Schluß ein nahezu prophetischer Vorbehalt. Ein „allgemeiner europäischer Krieg“ mit seiner „ungeheuren Capitalzerstörung“ könne den Zinssenkungsprozess stoppen, heißt es. Leider haben die Autoren mit dieser Ahnung Recht behalten. Bei den Erfindungen haben sie sich allerdings wohl getäuscht.

Wenn jemand die Fundstelle wissen will, vermittle ich eine Kopie. Im Netz fand ich bislang keine Verlinkung dazu.

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